Alle Wege führen nach ROM!
Ist das eine Einbahnstrasse?
LAD Rosary
– Zum Dialog eines Teils der Katholischen Kirche
mit der Germanischen Kirche
Comunicato congiunto della Santa Sede e della Conferenza Episcopale di Germania, 18.11.2022
Augustinianum“ in Rom ein interdikasterielles Treffen statt, an dem
neben den Leitern einiger Dikasterien der Römischen Kurie auch die 62
Bischöfe der katholischen Kirche Deutschlands teilnahmen, die im Rahmen
ihres Ad-limina-Besuchs in Rom waren. Das Treffen war seit einiger Zeit
als Gelegenheit geplant, gemeinsam über den laufenden Synodalen Weg in
Deutschland nachzudenken, der als Reaktion auf den sexuellen Missbrauch
von Minderjährigen durch Geistliche einberufen wurde.
Das Treffen wurde von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin
moderiert. In seiner Einführung erinnerte er an das Band der
Gemeinschaft und der Liebe, das die Bischöfe untereinander und mit dem
Nachfolger Petri verbindet. Er betonte die Bedeutung des Treffens als
Moment des Austauschs und der Gnade, der Einheit in der Verschiedenheit,
sprach aber auch die Bedenken an, die der Synodale Weg hervorruft,
wobei er auf die Gefahr von „Reformen der Kirche, aber nicht innerhalb
der Kirche“ hinwies.
In seinen einführenden Worten gab Bischof Dr. Georg Bätzing, Bischof
von Limburg und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, einen
Überblick über die Arbeit des deutschen Synodalen Weges, wobei er dessen
Geist hervorhob, der auf dem Hören auf das Volk Gottes und dem Schmerz
angesichts der von Mitgliedern des Klerus begangenen Missbrauchstaten
beruht. Bischof Bätzing nannte auch die Themen, die in den Versammlungen
diskutiert wurden: „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche –
Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“, „Priesterliche
Existenz heute“, „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“, „Leben
in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und
Partnerschaft”. Schließlich würdigte der Bischof die Arbeiten der vom
Heiligen Vater für die gesamte Kirche einberufenen Synode und die
Entscheidung, deren Dauer zu verlängern.
Anschließend ergriffen die Kardinäle Luis Francisco Ladaria, Präfekt
des Dikasteriums für die Glaubenslehre, und Marc Ouellet, Präfekt des
Dikasteriums für die Bischöfe, für eine theologische Reflexion das Wort.
Sie äußerten klar und offen die Bedenken und Vorbehalte, die gegenüber
der Methodik, den Inhalten und den Vorschlägen des Synodalen Weges
bestehen und machten zugunsten der Einheit der Kirche und ihres
Evangelisierungsauftrages Vorschläge, die bisher vorgebrachten Anliegen
in die Synode der Gesamtkirche einfließen zu lassen.
An dem anschließenden offenen Gespräch nahmen zahlreiche Bischöfe der deutschen
(Erz-)Bistümer und Vertreter der Kurie teil. Dabei wurde deutlich, wie
wichtig und dringend notwendig es ist, einige der angesprochenen Fragen
zu definieren und zu vertiefen, wie zum Beispiel diejenigen, die sich
auf die Strukturen der Kirche, das Weiheamt und seine
Zugangsbedingungen, die christliche Anthropologie und weitere Fragen
beziehen.
Gleichzeitig waren sich alle bewusst, dass sie mit dem gesamten
heiligen und geduldigen Gottesvolk auf dem Weg sind, auch wenn
verschiedene Positionen aufeinanderstoßen. Gerade in diesem Sinne wurde
in vielen Beiträgen auf die zentrale Bedeutung von Evangelisierung und
Mission als letztes Ziel der laufenden Prozesse hingewiesen, aber auch
auf das Bewusstsein, dass einige Themen nicht verhandelbar sind.
In dieser Perspektive des offenen und brüderlichen Austauschs wurden
einige Vorschläge gemacht, darunter auch die Möglichkeit eines
Moratoriums für den deutschen Synodalen Weg, was jedoch verworfen wurde,
sowie der Vorschlag, angesichts der entstandenen Missverständnisse
weiteres Nachdenken und gegenseitiges Zuhören zu fördern.
Zum Abschluss der Überlegungen brachte der Kardinalstaatssekretär
seine Wertschätzung für die Offenheit des Gedankenaustauschs zum
Ausdruck, der zwar nicht formell, aber notwendig und konstruktiv gewesen
sei und der auf dem eingeschlagenen Weg „nicht außer Acht gelassen
werden darf“. Man war sich einig, dass das Zuhören und der gegenseitige
Dialog in den kommenden Monaten fortgesetzt werden sollen, so dass sie
eine Bereicherung für den deutschen Synodalen Weg und den synodalen
Prozess der Kirche auf Weltebene darzustellen.
Nella mattinata di oggi, 18 novembre, si è svolta una riunione
interdicasteriale presso l’Istituto Augustinianum, a Roma, cui hanno
partecipato, con i Capi di alcuni Dicasteri della Curia Romana, i 62
vescovi della Chiesa cattolica in Germania presenti a Roma per la Visita
ad Limina Apostolorum.
L’incontro era programmato da tempo come un’opportunità per
riflettere insieme sul Cammino sinodale in corso in Germania convocato
per reagire ai casi di abuso sessuale su minori da parte di
ecclesiastici.
A moderare la riunione è stato il Cardinale Segretario di Stato, Sua
Eminenza Pietro Parolin, che nell’introdurre i lavori ha ricordato il
vincolo di comunione e di amore che unisce i Vescovi tra di loro e con
il Successore di Pietro e, sottolineando l’importanza dell’incontro come
momento di condivisione e di grazia, di unità nelle differenze, ha
accennato alle preoccupazioni che il Cammino sinodale suscita, indicando
il rischio di “riforme della Chiesa e non nella Chiesa”.
Nel suo intervento introduttivo, Sua Eccellenza Mons. Georg Baetzing,
Vescovo di Limburg e Presidente della Conferenza Episcopale di
Germania, ha offerto una lettura dei lavori del Cammino sinodale
tedesco, e ne ha evidenziato lo spirito, fondato sull’ascolto del Popolo
di Dio e sul dolore per gli abusi commessi da membri del clero. Mons.
Baetzing ha inoltre elencato i temi discussi nelle assemblee: Potere e
divisione dei poteri nella Chiesa – Partecipazione comune e
progettazione missionaria; Vita sacerdotale oggi; Donne nei ministeri e
negli uffici della Chiesa; Vivere in rapporti che funzionano – Vivere
l’amore nella sessualità e nel rapporto di coppia. Infine Sua
Eccellenza ha espresso apprezzamento per i lavori del Sinodo indetto dal
Santo Padre per l’intera Chiesa e la scelta di dilatarne i tempi.
Sono seguite le relazioni teologiche degli Em.mi Cardinali Luis
Francisco Ladaria, Prefetto del Dicastero per la Dottrina della Fede, e
Marc Ouellet, Prefetto del Dicastero per i Vescovi, i quali sono entrati
con franchezza e chiarezza in merito alle preoccupazioni e alle riserve
relative alla metodologia, ai contenuti e alle proposte del Cammino
sinodale, proponendo, a beneficio dell’unità della Chiesa e della sua
missione evangelizzatrice, che le istanze sin qui emerse si inseriscano
nel Sinodo della Chiesa universale.
Nel dialogo aperto successivamente sono intervenuti numerosi vescovi
tedeschi e rappresentanti della Curia. È emersa così l’importanza e
anche l’urgenza di definire e approfondire alcune delle tematiche
evidenziate, ad esempio quelle riferite alle strutture della Chiesa, al
ministero sacro e all’accesso ad esso, all’antropologia cristiana, ecc.
Al contempo si è manifestata la piena consapevolezza, da parte di tutti,
di essere in cammino con l’intero santo e paziente Popolo di Dio, anche
nel confronto tra posizioni diverse. Proprio in questo senso, molti
interventi hanno indicato la centralità dell’evangelizzazione e della
missione come fine ultimo dei processi in corso, come pure la
consapevolezza dell’indisponibilità di alcuni temi.
In questa prospettiva di condivisione aperta e fraterna, sono state
avanzate alcune proposte, come quella di applicare una moratoria al
Cammino sinodale tedesco, che non ha trovato spazio, e quella di
favorire un supplemento di riflessione e di ascolto reciproco alla luce
delle perplessità emerse.
Nel concludere, il Cardinale Segretario di Stato ha espresso il suo
apprezzamento per il confronto, non formale, ma necessario e
costruttivo, di cui “non si potrà non tenere conto” nei percorsi in
atto.
Si è convenuto circa la necessità di proseguire nei prossimi mesi
l’ascolto e il dialogo reciproco, perché possano contribuire ad un
arricchimento del Cammino Sinodale tedesco e del Sinodo universale della
Chiesa.
[01800-IT.01] [Testo originale: Italiano]
[01800-DE.01] [Originalsprache: Italienisch – Arbeitsübersetzung]
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Pressemeldung
| Nr. 184
Interdikasterielles Gespräch beim Ad-limina-Besuch der deutschen Bischöfe 2022
Heute, am 18. November 2022, fand vormittags im „Institut
Augustinianum“ in Rom ein interdikasterielles Treffen statt, an dem
neben den Leitern einiger Dikasterien der Römischen Kurie auch die 62
Bischöfe der katholischen Kirche Deutschlands teilnahmen, die im Rahmen
ihres Ad-limina-Besuchs in Rom waren. Das Treffen war seit einiger Zeit
als Gelegenheit geplant, gemeinsam über den laufenden Synodalen Weg in
Deutschland nachzudenken, der als Reaktion auf den sexuellen Missbrauch
von Minderjährigen durch Geistliche einberufen wurde.
Das Treffen wurde von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin
moderiert. In seiner Einführung erinnerte er an das Band der
Gemeinschaft und der Liebe, das die Bischöfe untereinander und mit dem
Nachfolger Petri verbindet. Er betonte die Bedeutung des Treffens als
Moment des Austauschs und der Gnade, der Einheit in der Verschiedenheit,
sprach aber auch die Bedenken an, die der Synodale Weg hervorruft,
wobei er auf die Gefahr von „Reformen der Kirche, aber nicht innerhalb
der Kirche“ hinwies.
In seinen einführenden Worten gab Bischof Dr. Georg Bätzing, Bischof
von Limburg und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, einen
Überblick über die Arbeit des deutschen Synodalen Weges, wobei er dessen
Geist hervorhob, der auf dem Hören auf das Volk Gottes und dem Schmerz
angesichts der von Mitgliedern des Klerus begangenen Missbrauchstaten
beruht. Bischof Bätzing nannte auch die Themen, die in den Versammlungen
diskutiert wurden: „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche –
Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“, „Priesterliche
Existenz heute“, „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“, „Leben
in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und
Partnerschaft”. Schließlich würdigte der Bischof die Arbeiten der vom
Heiligen Vater für die gesamte Kirche einberufenen Synode und die
Entscheidung, deren Dauer zu verlängern.
Anschließend ergriffen die Kardinäle Luis Francisco Ladaria, Präfekt
des Dikasteriums für die Glaubenslehre, und Marc Ouellet, Präfekt des
Dikasteriums für die Bischöfe, für eine theologische Reflexion das Wort.
Sie äußerten klar und offen die Bedenken und Vorbehalte, die gegenüber
der Methodik, den Inhalten und den Vorschlägen des Synodalen Weges
bestehen und machten zugunsten der Einheit der Kirche und ihres
Evangelisierungsauftrages Vorschläge, die bisher vorgebrachten Anliegen
in die Synode der Gesamtkirche einfließen zu lassen.
An dem anschließenden offenen Gespräch nahmen zahlreiche Bischöfe der
deutschen (Erz-)Bistümer und Vertreter der Kurie teil. Dabei wurde
deutlich, wie wichtig und dringend notwendig es ist, einige der
angesprochenen Fragen zu definieren und zu vertiefen, wie zum Beispiel
diejenigen, die sich auf die Strukturen der Kirche, das Weiheamt und
seine Zugangsbedingungen, die christliche Anthropologie und weitere
Fragen beziehen.
Gleichzeitig waren sich alle bewusst, dass sie mit dem gesamten
heiligen und geduldigen Gottesvolk auf dem Weg sind, auch wenn
verschiedene Positionen aufeinanderstoßen. Gerade in diesem Sinne wurde
in vielen Beiträgen auf die zentrale Bedeutung von Evangelisierung und
Mission als letzten Zielen der laufenden Prozesse hingewiesen, aber auch
auf das Bewusstsein, dass einige Themen nicht verhandelbar sind.
In dieser Perspektive des offenen und brüderlichen Austauschs wurden
einige Vorschläge gemacht, darunter auch die Möglichkeit eines
Moratoriums für den deutschen Synodalen Weg, was jedoch verworfen wurde,
sowie der Vorschlag, angesichts der entstandenen Missverständnisse
weiteres Nachdenken und gegenseitiges Zuhören zu fördern.
Zum Abschluss der Überlegungen brachte der Kardinalstaatssekretär
seine Wertschätzung für die Offenheit des Gedankenaustauschs zum
Ausdruck, der zwar nicht formell, aber notwendig und konstruktiv gewesen
sei und der auf dem eingeschlagenen Weg „nicht außer Acht gelassen
werden darf“. Man war sich einig, dass das Zuhören und der gegenseitige
Dialog in den kommenden Monaten fortgesetzt werden sollen, so dass sie
eine Bereicherung für den deutschen Synodalen Weg und den synodalen
Prozess der Kirche auf Weltebene darstellen.
Hinweise:
Das Kommunique des Heiligen Stuhls in italienischer und deutscher Sprache finden Sie unter www.vatican.va.
Fotomaterial von den Terminen des Ad-limina-Besuchs steht unter
Nennung des Copyrights kostenfrei in der Bildergalerie dieser
Pressemitteilung zur Verfügung.
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Ein Bruch mit dem Konzilstext zur Offenbarung
Weg. „Auf dem Weg der Umkehr und der Erneuerung Theologische Grundlagen
des Synodalen Weges der katholischen Kirche in Deutschland“
Die Laieninitiative „Neuer Anfang“
hat, wie sie auf ihrer Webseite mitteilt, als katholische Initiative
beschlossen, Licht ins Dunkel der zahllosen Grundsatz- und
Handlungstexte zu bringen. Nicht jeder, so die Initiative, habe die
Zeit, geschweige denn die fachliche Expertise, um sich durch das
Material zu arbeiten. Deswegen habe man Vorarbeit geleistet für alle
Interessierten. Sowohl für den Orientierungstext als auch für alle vier
Foren des Synodalen Weges liegen jeweils eine Zusammenstellung der
wichtigsten Themen und Zitate vor.
Die Initiative hat diese Texte auch gleich in mehrere Sprachen übersetzt. (Englisch, Spanisch und Italienisch.)
Texte sprechen für sich
„Wir lassen die Texte für sich selbst sprechen„,
betont die Initiative auf ihrer Webseite, das bringe mehr Klarheit und
Transparenz als die medialen Interpretationen, die zahlreich kursieren
und verbreitet würden. Ferner werden die Texte knapp eingeordnet. Dies
sei auf dem Hintergrund der heute gültigen Lehre der Kirche geschehen.
„Lesen Sie einfach selbst nach, was auf dem deutschen Synodalen Weg wirklich beschlossen wird!“, ruft die Initiative auf. Die Tagespost dokumentiert die fünf Dokumente sowohl
online als auch in einer Beilage zur Printausgabe am 10. November 2022
in voller Länge. Hier im Portal sind die Dokumente mit Links zum Neuen
Anfang und mit Links zu dem Originaldokumenten des „Synodalen Weges“
versehen.
Orientierungstext zum Synodalen Weg
(Beschluss des Synodalen Weges von der Synodalversammlung am 3. Februar 2022)
Das höchste Lehramt der Kirche hat die verbindliche Lehre über die
Offenbarung zuletzt, unter Rezeption der gesamten Tradition, namentlich
des Konzils von Trient und des ersten vatikanischen Konzils, in der
dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum des
zweiten vatikanischen Konzils dargelegt. Die Darlegung dieser Lehre ist
zwar nicht im formellen Sinn Dogma, genießt aber als Akt des höchsten
Lehramts und als Zeugnis der durchgehenden Lehrtradition höchste
Verbindlichkeit.
Aus dieser lehramtlichen Darlegung ergibt sich eine Architektur der
theologischen Erkenntnislehre, die diese Verbindlichkeit spiegelt.
Generell ist zu sagen: Der Orientierungstext des Synodalen Weges
löst diese Architektur auf und verschiebt sie fundamental. Die
Pragmatik des Textes lässt das Ziel dieser tektonischen Verschiebung
erkennen: Es geht um die Vorbereitung der Revision christlicher Lehre,
bei der Offenbarungsquellen („Geschichte“, „Zeichen der Zeit“) namhaft
gemacht werden, die jenseits der in Jesus Christus eschatologisch
endgültigen und abgeschlossenen Offenbarung Gottes liegen (vgl. DV 4 und
sachlich bereits DV 2).
Weiterhin wird die für Dei Verbum entscheidende
Einheit von Schrift, Tradition und Lehramt (vgl. DV 10) aufgelöst.
Entsprechend wird die allein letztverbindliche Auslegungskompetenz des
Lehramts im Blick auf das Wort Gottes (vgl. ebd.) ignoriert.
Bruch mit der Lehre
Man wird also in Summe feststellen müssen: Der Text bricht mit der
höchstlehramtlichen Lehre von Dei Verbum an zentralen Stellen. Er tut
dies in der Sache klar, jedoch nicht offen. Er verhüllt den Sachverhalt
in einer scheinbar traditionellen Sprache. Es ist deshalb notwendig, die
Weichenstellungen des Textes genau zu analysieren.
Entscheidend ist die Auflösung der von Dei Verbum 10 programmatisch
postulierten Einheit von Schrift, Lehramt und Tradition in Nr. 10 des
Orientierungstextes und in der weiteren Architektur des Textes. Das
Lehramt wird (gegen DV 10) von Schrift und Tradition abgetrennt, dem
Glaubenssinn der Gläubigen und den Zeichen der Zeit nachgeordnet und
schließlich der Theologie zugeordnet. Diese fundamentale Verschiebung
bestimmt die gesamte weitere Architektur des Orientierungstextes. Es
handelt sich also nicht um eine Ungenauigkeit, sondern eindeutig um eine
systematische Option.
Die sog. „Zeichen der Zeit“ werden sachlich schon im
Text auf Grund potenzieller Offenbarungsqualität zu eigenen, ggfls.
normativen Erkenntnisquellen der Lehrbildung in denen der Wille Gottes
erkannt werden kann. Dies bestätigt zuletzt eindeutig die sicher
authentische Interpretation, die Bischof Georg Bätzing im Streit mit
Kardinal Koch diesem Zusammenhang im Orientierungstext gegeben hat. So wie hier formuliert wird, ist ein Konflikt mit der Aussage von der Abgeschlossenheit der Offenbarung in Jesus Christus (DV 4, vgl. 2) klar zu konstatieren.
Durch die Auflösung des Zusammenhangs von Schrift, Lehramt und
Tradition werden Schrift und Tradition vieldeutig, was im
Orientierungstext auch klar benannt wird. Die verbindliche Feststellung
ihres Sinns wandert im Text vom Lehramt zur Theologie. Die Frage „Quis
judicat?“ wird also mehr oder weniger offen im Verweis auf die
akademische Theologie beantwortet. Denn letztere ist auch Deuterin von
Glaubenssinn und Zeichen der Zeit.
Revision christlicher Lehre
Im ganzen Text taucht fast ausschließlich die bezeugende Funktion des
Lehramts auf, seine Fähigkeit zur verbindlichen, autoritativen
Entscheidung (etwa im Konfliktfall) spielt systematisch keine Rolle,
ebenso wenig wie die Vorstellung einer verbindlichen, in Urteilen sich
aufbauenden Lehrgestalt, die der Ausgangs- und Referenzpunkt jeder
legitimen Entwicklung und Vertiefung ist.
Dies ist noch einmal ein Hinweis auf die Pragmatik des Textes: Es
geht um die Vorbereitung der Revision christlicher Lehre, die die
bisherige Lehrgestalt nicht vertieft, sondern verneint (exemplarisch
seien Anthropologie, die Sexualethik und Lehre von der Ehe und die Lehre
vom Bischofsamt genannt).
„Auf dem Weg der Umkehr und der Erneuerung Theologische Grundlagen des Synodalen Weges der katholischen Kirche in Deutschland“
(Beschluss des Synodalen Weges von der Synodalversammlung am 3. Februar 2022)
Hinweis: Die Zahlen in Klammern vor den Abschnitten geben die Zeilennummer im Originaldokument – siehe Link unten – an.
(10) Zu den wichtigsten „Orten“ der Theologie gehören die Heilige
Schrift und die Tradition, die Zeichen der Zeit und der Glaubenssinn des
Volkes Gottes, das Lehramt und die Theologie. Kein Ort kann die anderen
Orte ersetzen; alle brauchen die wechselseitige Unterscheidung und
Verbindung. All diese „Orte“ gilt es in jeder Zeit neu zu entdecken und
zu verbinden, sodass die Verheißungstreue Gottes von Generation zu
Generation den Glauben der Kirche zu erneuern vermag. Jeder dieser Orte
birgt zu jeder Zeit einen Verheißungsüberschuss, der durch andere „Orte“
und andere „Zeiten“ nicht verringert, aber bestärkt werden kann.
(30) „Reformen sind ein integraler Bestandteil der Tradition: Der
Gottesdienst wandelt sich; die Lehre entwickelt sich; die Caritas
entfaltet sich. In ihrer Dynamik ist die Tradition der Prozess, die
gegenwärtige Gestalt der Kirche und des Glaubens zu überprüfen, um sie
immer neu als Gottes Gabe zu empfangen und zu gestalten. Die Tradition
der Kirche ist offen für den Kontext neuer Entdeckungen, neuer
Einsichten, neuer Erfahrungen, die den überlieferten Glauben
herausfordern und nach neuen Antworten verlangen, die die geoffenbarte
Wahrheit Gottes tiefer bezeugen, dem Wachstum der Kirche dienen, der
Verkündigung des Evangeliums und der Weggemeinschaft mit allen Menschen,
denen Gottes Gnade gilt. Die Philosophie und die Weisheit der Völker,
die Wissenschaft und die Künste, das Leben der Menschen und die soziale
Arbeit der Kirche waren und sind inspirierende Faktoren für die
Weiterentwicklung und immer wieder neue Entfaltung der Tradition.
Prophetische Stimmen finden sich nicht nur innerhalb, sondern auch
außerhalb der Kirche. Die Lebensverhältnisse und -einstellungen der
Menschen ändern sich im Laufe der Zeit; diese Veränderungen werden von
der Tradition mitgeprägt und prägen sie mit.“
Die Interpretation von Bischof Bätzing hierzu:
„Der Orientierungstext geht nun aber, gemeinsam mit einer Reihe von
lehramtlichen Texten, wie etwa der Konzilskonstitution Gaudium et spes
und der Enzyklika Pacem in terris des hl. Papstes Johannes XXIII., davon
aus, dass Gott, der Schöpfer und Erhalter der Welt, sich auch in dieser
Welt und in der Geschichte der Menschen immer wieder offenbart, dass
sein Wirken und sein Wesen also an Ereignissen der Geschichte verdichtet
erkennbar wird…..Unter dieser Rücksicht aber sind sie tatsächlich nicht
nur „Verstehens-Hintergrund“, sondern echte Quellen für die Reflexion
des Glaubens. Nicht allein aus Schrift und Tradition, Theologie, Lehramt
und Glaubenssinn der Gläubigen kann etwas über den Willen Gottes für
die Menschen und für seine Kirche erfahren werden, sondern auch aus
Zeitereignissen und Zeitentwicklungen in der Geschichte, durch die das
Volk Gottes pilgernd unterwegs ist.“
Die Zeichen der Zeit
(35) „Die Zeichen der Zeit zeigen an, in welcher Richtung die Tradition weiterentwickelt werden muss. In seinem Glaubenssinn erkennt das Gottesvolk
kraft des Geistes, wo die Wege des Glaubens verlaufen: was aus der
Vergangenheit zu bewahren und was abzulegen, was weiter zu entwickeln
und was neu zu integrieren ist. Die Theologie reflektiert, was als Tradition gilt, gegolten hat und gelten kann.“
(43) „Das Zeichen der Zeit, das der Aufschrei der Opfer sexualisierter Gewalt wirkmächtig setzt, bleibt nicht folgenlos. Es rückt weitere Fragen kirchlichen Lebens ins Blickfeld, die teilweise schon lange aufgebrochen sind: die Frage der Macht und das Verlangen nach Gewaltenteilung;
die Zukunftsfähigkeit priesterlicher Lebensformen; das Verlangen nach
gleichberechtigtem Zugang aller Geschlechter zu den Diensten und Ämtern
der Kirche; die Rezeption der gegenwärtigen Forschungserkenntnisse in die kirchliche Sexualmoral.
Auch sie könnten sich als Zeichen der Zeit erweisen. Auch sie wollen
auf die Spuren nach Gottes Gegenwart und dessen Ratschluss gedeutet
werden. Auch für sie gilt: „Löscht den Geist nicht aus! Verachtet
prophetisches Reden nicht! Prüft alles und behaltet das Gute!“ (1 Thess
5,19–21)“
(48) „Kein persönliches Gewissensurteil
könnte auf Dauer Bestand haben, wenn es sich dem Für und Wider
gemeinsamer Erwägungen mit anderen verschließen würde. […]
Nicht umsonst weist das Wort Gewissen auf das Gemeinsam-Wissen, auf
conscientia, auf syneidesis (1 Kor 10,28) hin. Aber es appelliert im
Letzten immer an die eigene Einsicht, an das eigene Urteil, an die eigene Entscheidung. Die höchstpersönliche gewissenhafte Letztentscheidung über die eigene Lebensführung bindet
– selbst wenn sich herausstellen sollte, dass sie einem Irrtum
aufgesessen ist. Das Gewissen zu übergehen, es von außen zu steuern, es
auszuschalten oder auch es selbst zu vernachlässigen, hieße, die
personale Mitte des Menschen und seine von Gott geschaffene Würde zu
negieren. Das Gewissen seinerseits findet Orientierung im Licht des
Glaubens.[…]“
Das Gewissen
(49) „Das Gewissen der Gläubigen macht sich dabei
nicht zuletzt die Erkenntnisse unterschiedlicher Wissenschaften zu
Nutze. Damit zeigt sich aber auch: Der Glaubenssinn begründet keinen
exklusiven Besitzanspruch einzelner Glaubender. Der Glaubenssinn der
Gläubigen drängt auf einen Kon-Sens, auf einen gemeinsam geteilten Sinn –
auch wenn ein solcher Konsens nicht immer erreicht wird und die
Gemeinschaft der Gläubigen dann über eine gewisse Zeit mit Dissensen
leben muss. Die Kirche ist nicht nur Erinnerungsgemeinschaft, sondern
auch Dialoggemeinschaft.“
(62) „So kommt der Theologie auch die Aufgabe zu,
fundamentalistischen Versuchungen entgegenzutreten, wenn Positionen von
einzelnen oder Gruppierungen in dialogunfähiger Weise absolut gesetzt
und jeder Debatte entzogen werden sollen. In der scientific community
der Theologie ergibt sich eine Selbstkorrektur durch den kritischen
wissenschaftlichen Diskurs. Im Dialog mit dem Lehramt ist auch ein
kritisches Gegenüber erforderlich, für beide Dialogpartner.“
(68) „Die Frage nach der angemessenen Beteiligung des ganzen Gottesvolkes
an den Beratungen und Entscheidungen in der Kirche stellt sich weltweit
und verlangt nach neuen Antworten. Vor allem die Betroffenen und
Überlebenden des Missbrauchs müssen gehört werden. Deren Erfahrungen,
deren Empörung und Klagen müssen einen Widerhall in der Lehre und in der
Praxis der Kirche finden. Schon für die Heilige Schrift gehören die
Erfahrungen der Menschen und die Verkündigung des Wortes Gottes
untrennbar zusammen. Niemand darf sie auseinanderreißen.“
Synodale Zitate – Orientierungstext zum Synodalen Weg als *.pdf
Link zum Original-Dokument: